Unsere Geschichte
Die AV Raeto-Bavaria wurde 1908, in der heißen Phase des „akademischen Kulturkampfes“ als katholisches Gegengewicht zu den einflussreichen deutschnationalen Verbindungen gegründet. Initiator war mit Dr. Richard Wollek (AIn) eine der großen Persönlichkeiten des ÖCV, die KÖHV Leopoldina erklärte sich bereit, das notwendige Personal zur Verfügung zu stellen.
Gründungssenior war Heinz Stecher, als aktive Burschen kamen Meichlbeckh, Hutle und Vergeiner zur Verbindung. Inaktiver Bursch war Emil Schneider (später Unterrichtsminister in der ersten Republik), Füchse waren Schuchter, Wiedemann und der spätere Fidissimus der Verbindung, Dr. Karl Mutschlechner vlg. Dr. cer. Cralo. Er hat Raeto-Bavaria das heutige Verbindungshaus in der Speckbacherstraße 5 vermacht.
Die Zeit vor dem ersten Weltkrieg war geprägt von Konflikten mit den deutschnationalen Verbindungen. Neben Streitigkeiten über das Aufzugsrecht an der Universität und Gängeleien durch Großteils national eingestellte Professoren waren auch gewalttätige Auseinandersetzungen, der sogenannte „Holzcomment“ an der Tagesordnung. Raeto-Bavaria hatte in diesen Auseinandersetzungen sogar ein Todesopfer zu beklagen: Max Ghezze vlg. Roland starb nach einer Schlägerei mit Angehörigen des Corps Gothia an den Folgen einer Gehirnblutung. Die Sache erregte mediales Interesse: selbst der Charakter der Beteiligten wurde thematisiert. Das Fehlverhalten der Polizei, die medizinische Hilfe unterlassen hatte, wurde hingegen nicht weiter verfolgt. Eine Anklage gegen 13 beteiligte Mitglieder des Corps wegen Totschlags wurde später fallen gelassen.
Nach dem ersten Weltkrieg wurden die Auseinandersetzungen weniger, das Verbindungsleben war von einigermaßen friedlichem Wachstum geprägt. In diese Zeit fällt auch die Gründung der Altherrenschaft unter Philistersenior Heinz Stecher und die Schaffung von Altherrenzirkeln in den Bundesländern. Im Jahr 1933 trat Raeto-Bavaria dem neu gegründeten Österreichischen Cartellverband bei, der sich vom deutschen Cartellverband wegen des dort zunehmenden NS-Einflusses abgespalten hatte.
Nach dem „Anschluss“ Österreichs 1938 wurde Raeto-Bavaria aufgelöst, viele Unterlagen und Couleurgegenstände wurden vernichtet. Die Fahne und der Senioratsstuhl konnten durch den Einsatz von Bundes- und Cartellbrüdern aber gerettet werden. Einzelne Mitglieder hatten unter Repressalien zu leiden. Die Wiederbegründung nach dem zweiten Weltkrieg markierte den Beginn einer neuen Hochblüte der Verbindung: Nicht nur konnte Raeto-Bavaria von stetigem Mitgliederzuwachs profitieren, auch die Situation ihres Vereinslokales wurde deutlich stabiler. Nach den häufigen Budenwechseln, die in der Anfangszeit der Verbindung noch notwendig waren, konnte Raeto-Bavaria im Jahr 1955 ein neues Heim oberhalb des Gasthauses „Wilder Mann“ in der Museumsstraße beziehen. 1965 übersiedelte die Verbindung in die Bürgerstraße 12, seit 1990 ist das Heim das Dr.-Karl-Mutschlechner-Haus in der Speckbacherstraße 5, das neben dem Vereinslokal auch ein Studentenheim beherbergt.
Veränderungen des Zeitgeists and den Universitäten und die zunehmende Verschulung des Studiums gingen auch an Raeto-Bavaria nicht spurlos vorüber, die Mitgliederzahlen der Nachkriegszeit konnte die Aktivitas später nicht mehr erreichen. Trotzdem durfte die Verbindung 2018 das 110. Jubiläum ihres Bestehens feiern. Mit der Renovierung der Kellerbar in der Speckbacherstraße wurden zudem im Jahr 2020 die Voraussetzungen für ein modernes, aktives Verbindungsleben geschaffen, das aktuell wieder Aufschwung erfährt.